Alarmierungs- und Entscheidungshilfesysteme
Internationale Meldesysteme für radiologische Notfälle
Um im Fall eines radiologischen Notfalls betroffene Staaten rasch zu alarmieren, wurden internationale Informationsabkommen und Alarmierungssysteme entwickelt.
Als direkte Reaktion auf den schweren Reaktorunfall im sowjetischen Tschernobyl wurden internationale Informationsabkommen im Rahmen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) und innerhalb der Europäischen Kommission abgeschlossen. Diese Übereinkommen besagen, dass bei einem radiologischen Ereignis das Unfallland verpflichtet ist, die internationalen Stellen und die betroffenen Staaten so schnell wie möglich zu alarmieren. Ziel dieser frühzeitigen Benachrichtigung ist, die betroffenen Staaten bereits vor einer möglichen beziehungsweise bevorstehenden Freisetzung von radioaktiven Stoffen an die Umwelt zu informieren. Durch die frühzeitige Benachrichtigung können Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vorbereitet und wenn erforderlich eingeleitet werden. Die vorgeschriebene fortlaufende Weitergabe von Informationen über die Entwicklung des Notfalls dient dazu, grenzüberschreitende radiologische Auswirkungen zu minimieren.
Als Umsetzung der internationalen Vereinbarungen wurden zwei Meldesysteme für nukleare Störfälle ins Leben gerufen, die jeweils von der Europäischen Union (EU) und der IAEO betrieben werden.
- Das europäische Informationssystem European Community Urgent Radiological Information Exchange (ECURIE) ist die Umsetzung der EU-Ratsentscheidung aus dem Jahr 1987 über den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation (87/600/EURATOM).
- Das Meldesystem der Internationalen Atomenergiebehörde Unified System for Information Exchange in Incidents and Emergencies (USIE) basiert auf dem Übereinkommen über frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen aus dem Jahr 1986.
Beide Meldesysteme stehen rund um die Uhr in Bereitschaft. Bei radiologischen Zwischenfällen ist das Unfallland verpflichtet, unverzüglich die internationalen Stellen und die betroffenen Staaten zu informieren. Die Meldungen müssen die wichtigsten Informationen zu dem radiologischen Vorfall enthalten: zum Beispiel die Beschreibung des Ereignisses, den Zeitpunkt, den Ort, Angaben über die bereits stattgefundene oder noch zu erwartende Freisetzung, sowie geplante oder bereits eingeleitete Schutzmaßnahmen.
Neben den internationalen Vereinbarungen wurden seitens Österreich auch bilaterale Vereinbarungen abgeschlossen, die im Falle eines bevorstehenden radiologischen Notfalls unter anderem eine frühzeitige Alarmierung und einen raschen Informationsaustausch zwischen den Ländern garantieren. Solche Abkommen bestehen zwischen der Republik Österreich und insbesondere den Nachbarstaaten Deutschland, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn.
Entscheidungshilfesysteme für die rasche Bewertung von radiologischen Notfällen
Durch das Betreiben solcher Systeme durch das BMK wird wertvolle Zeit für die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gewonnen.
Entscheidungshilfesysteme ermöglichen ausgehend von Wetterprognosedaten eine rasche Berechnung der Auswirkungen von radiologischen Notfällen. Zusätzlich können bereits vor dem Vorliegen erster Messergebnisse Abschätzungen und eine Eingrenzung der möglicherweise betroffenen Regionen durchgeführt werden.
Bei Ereignissen, bei denen größere Mengen an radioaktiven Stoffen an die Atmosphäre freigesetzt werden können, wie bei schweren Kernkraftwerksunfällen, spielt die Verfrachtung der radioaktiven Luftmassen und somit das Wetter eine entscheidende Rolle. Basierend auf Modellrechnungen und Wetterprognosen können Entscheidungshilfesysteme die Verfrachtung radioaktiver Luftmassen vorausberechnen. Durch den Einsatz von Entscheidungshilfesystemen können in der Frühphase eines radiologischen Notfalls erste Abschätzungen über die Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt noch vor dem tatsächlichen Eintreffen der radioaktiven Luftmassen und dem Vorliegen von Messergebnissen aus der automatischen Umweltüberwachung vorgenommen werden. Dadurch wird Zeit für die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gewonnen. Auf Basis weiterer Informationen, die in späteren Phasen eines Notfalles verfügbar sind (Messwerte), können die Prognosen verfeinert und damit die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung optimiert werden.
Automatischer Datenaustausch mit den Nachbarstaaten
Der Großteil der europäischen Staaten hat Strahlenmessnetze aufgebaut. Aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen haben die österreichischen Experten der Strahlenschutzabteilung online Zugang zu den Messdaten der Systeme vieler Nachbarstaaten erhalten: Das österreichische Strahlenfrühwarnsystem kann die aktuellen Messwerte der Stationen in Deutschland, Schweiz, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien anzeigen, somit von allen Nachbarstaaten, die Kernkraftwerke (KKW) betreiben. Österreich hat zusätzlich – im Rahmen der bilateralen Abkommen – eigene Messstationen im Nahgebiet von grenznahen KKW errichtet und in das österreichische Strahlenfrühwarnsystem eingebunden. Dadurch können im Fall einer Freisetzung von Radioaktivität im Ausland die Auswirkungen auf Österreich frühzeitig abgeschätzt werden. Den ausländischen Behörden werden im Gegenzug die österreichischen Messwerte zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus sind inzwischen über die europäische Datenplattform EURDEP Strahlenmessdaten aus fast allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft verfügbar.